Zusätzliche Rohstoffe durch Chemisches Recycling - Martin Prieler im Interview
Nicht jede Kunststoffverpackung ist recyclingfähig. Martin Prieler erklärt im Interview die Herausforderungen des Kunststoffrecyclings und wie das neue Verfahren der ARA diese Sortierreste doch in den Kreislauf führt.
Nicht jede Kunststoffverpackung ist recyclingfähig – sind sie zu stark verschmutzt, zu klein oder bestehen aus unterschiedlichen chemischen Stoffen, werden Verpackungen aussortiert und anschließend thermisch verwertet. Die ARA hat ein Verfahren entwickelt, um diese Sortierreste in den Kreislauf zu führen. Die österreichweit erste Anlage für Polyolefin-Aufbereitung startet im Sommer 2024 im niederösterreichischen Pöchlarn. ARA Vorstand Martin Prieler klärt über die Herausforderungen des Kunststoffrecyclings auf und gibt nähere Details zu UPCYCLE.
Wo steht Österreich beim Kunststoffrecycling?
"Grundsätzlich ist Österreich im Vergleich zu anderen EU-Ländern sehr gut unterwegs. Aktuell verändert sich das Umfeld jedoch stark, dazu tragen viele Faktoren bei. Einerseits das Pfandsystem, andererseits natürlich die Steigerung der Recyclingquoten bei Kunststoffverpackungen ab 2025. Das ist eine große Herausforderung, die wir als größtes Sammel- und Verwertungssystem Österreichs übernehmen müssen. Dabei geht es aber nicht nur um Quoten – vielmehr ist unser Ziel, Kreisläufe zu schließen."
Was ist der Unterschied zwischen chemischem und mechanischem Recycling?
"Das mechanische Recycling wird auch als werkstoffliches Recycling bezeichnet. Die getrennte Sammelmenge wird in einem Sortierprozess so aufgespalten, dass man eine weitgehend reine Output-Fraktion erhält. Diese führt man dann dem Recycling zu – man wäscht, trennt auf in Flakes, dann gibt es sogenannte Aufschmelzvorgänge. Daraus entstehen gereinigte Kunststoffe, die zu Pellets verarbeitet werden. Diese Pellets kann man dann Kunststoffen zuführen. Es ist also eine Kette von Sammlung, Reinigung, Schmelzung und Pelletierung. Beim chemischen Recycling funktioniert es hingegen anders. Vorerst gibt es dazu noch keine klaren regulatorischen Vorgaben und auch keine assoziierte Quote. Das chemische Recycling ist ein Überbegriff, und es gibt zwei unterschiedliche Verfahren. Dies ist einerseits die Pyrolyse, also die Vergasung. Hier werden Polymere in ihre Ur-Struktur zurückverwandelt und in Primär-Kunststoff verwandelt. Dann gibt es noch die Solvolyse, bei der Polymere mit Lösungsmitteln aufgelöst werden. Auch hier wird Kunststoff wieder zu Ausgangsmaterial."
Wie viel kann heutzutage in Sortieranlagen sortiert werden?
"Nehmen wir die neue Anlage TriPlast als Beispiel – wir haben den modernsten Stand der Technik verbaut, und mit der verwendeten Sensorik können wir bis zu 80 % der Inputfraktionen in getrennte Fraktionen sortieren. Das liegt weit über den österreichischen Standards. Im Umkehrschluss bedeutet das aber auch, dass 20 % nicht zugeordnet werden können. Das liegt an verschiedenen Ursachen, zum Beispiel an Stoffen, die von ihrer Grundstruktur her nichtrecyclingfähig sind –zum Beispiel Multi-Layer-Folien, deren einzelne Schichten man nicht trennen kann. Verunreinigte, kontaminierte Verpackungen und Fehlwürfe, die im Prinzip keine Verpackungen sind, gehören ebenfalls dazu."
Welche Lösungen gibt es für diese Reste?
"Wir nutzen den Umstand, dass Kunststoffverpackungen und die übriggebliebenen Sortierreste einen hohen Polyolefin-Gehalt aufweisen. Mit unserer neuen Idee, die wir in UPCYCLE zusammenfassen, haben wir ein eigenes Verfahren entwickelt, um diese zurückzugewinnen und eine Auftrennung dieser Sortierreste zu ermöglichen. Das Ziel ist, unterschiedliche Eingangsströme verarbeiten zu können – ein wesentlicher Mengenstrom werden die Sortierreste aus TriPlast sein."
Wie funktioniert die Sortierung in der Anlage nun genau?
"Uns ist hier eine einzigartige Kooperation zwischen Kommune, Entsorgern und Zementindustrie gelungen. In der Anlage findet zunächst eine Separation nach leichten und schweren Bestandteilen statt. Die leichten enthalten mehr Polyolefine, die schweren werden ausgeschieden und zu Ersatzbrennstoff verarbeitet. Der Anteil der Leichtfraktion beträgt bis zu 50 % des Eingangsmaterials und wird in weiterer Folge als Feedstock für das chemische Recycling verwendet. Die SRP Sekundär Rohstoff Produktion betreibt diesen von uns patentierten Prozess. Alles, was hier nicht mehr weiter verwertet werden kann, übernimmt die Zementindustrie als Ersatzbrennstoff in der thermischen Verwertung."
Welche Vorteile bietet UPCYCLE?
"Ich sehe in UPCYCLE drei wesentliche Vorteile: erstens eine Steigerung der Recyclingquote um zusätzliche 7–8 Prozentpunkte, sofern die gesetzliche Grundlage dafür geschaffen wird. Zweitens haben wir nach dem chemischen Recycling ein Reset der Kunststoffe ermöglicht – insbesondere im Lebensmittelbereich ist dieser Schritt unumgänglich, da dort mit der Ausnahme von PET-Flaschen momentan nur Primärrohstoffe zum Einsatz kommen können. Und drittens erwarten wir uns auch wirtschaftlich eine erweiterte Wertschöpfung, die auch unseren Kund:innen zugutekommen."
Aber gibt es auch Grenzen des chemischen Recyclings?
"Diese gibt es definitiv, besonders aus umwelttechnischen Gründen. Der Pyrolyse-Prozess arbeitet mit sehr hohen Temperaturen und hohem Druck, was wiederum viel Energie erfordert. Ein weiterer umstrittener Aspekt ist das Reset – wenn die petrochemischen Erzeugnisse aus Sekundärrohstoffen nicht wieder im Recycling verwendet, sondern zu Treibstoffen verarbeitet werden, sind sie im Kreislauf ebenfalls verloren. Dafür müssen explizite Quoten festgelegt werden, damit die Outputmengen tatsächlich zirkulär wieder und wieder recycelt werden können. Grundsätzlich gilt also: chemisches Recycling setzt dort an, wo mechanisches an seine Grenzen stößt."