26.06.2024

Versprochen – gehalten? Green Claims auf dem Prüfstand

Immer umweltbewusstere Käuferschichten fordern transparente Kommunikation ein. Die Herausforderungen auf dem Weg zu einer zirkulären Ökonomie sind komplex, und die Kommunikation wird immer wichtiger. Eine Herausforderung für die Wirtschaft – und eine große (Markt)Chance.

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Für die einen ist es Verkaufsargument und Marketingturbo, die anderen halten lieber still, um ja nichts falsch zu machen. Zwei Extrempositionen, welche die große Bandbreite der Nachhaltigkeitskommunikation von Unternehmen weltweit markieren. Zwischen „Greenwashing“ und „Greenhushing“ gibt es jedoch viele Möglichkeiten, die ökologischen Aspekte des eigenen wirtschaftlichen Handelns darzustellen.

Dabei geht es nicht mehr um ein „Ja“ oder „Nein“ sondern um das „Wie“. Sowohl die europäische Rechtslage als auch der Reputations- und Wettbewerbsdruck machen es unabdingbar, dass Wirtschaft und Industrie ihre Maßnahmen zur Förderung von Ökologie und Kreislaufwirtschaft kommunizieren – sachlich und überprüfbar.

Kreislaufwirtschaft ist anspruchsvoll: Die Umstellung von Produktionsabläufen, die Einführung neuer Materialien und potenziell höhere Preise für Sekundärrohstoffe sind mit steigenden Kosten verbunden. Das erschwert die Akzeptanz der Endkund:innen – hier ist gute Kommunikation gefragt.

Die gesetzlichen Vorgaben dafür setzt die Green Claims Directive der EU. Sie wurde im März 2023 vom Europaparlament in erster Lesung abgesegnet und legt fest, welche umweltbezogenen Aussagen Unternehmen zukünftig zu ihren Produkten und Dienstleistungen machen dürfen und wie sie diese Behauptungen belegen müssen.

Das bedeutet mehr Schutz für Verbraucher:innen vor irreführender Werbung und Orientierung im Dschungel unterschiedlicher Öko-Labels. Greenwashing soll damit der Vergangenheit angehören, und Bezeichnungen wie „klimaneutral“ oder „biologisch abbaubar“ stehen damit künftig auf dem europäischen Prüfstand. Bei Verstößen drohen Geldstrafen in der Höhe von 4 % des Jahresumsatzes.

Für die Konsument:innen bringt das mehr Sicherheit, für die Unternehmen zusätzlichen Aufwand in Form von Assessments und Kontrollen. Konzerne müssen umdenken und ihr Umwelt-Marketing evidenzbasiert gestalten. Die „Großen“ unterliegen in Zukunft auch dem europäischen Lieferkettengesetz (Corporate Sustainability Due DiligenceDirective) – und damit der Verpflichtung, Klimaschutzpläne für ihren Geschäftsbereich zu entwickeln und einzuhalten.

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Wer künftig mit Begriffen wie ,grün‘, ,nachhaltig‘ oder ,klimafreundlich‘ werben will, muss eine Reihe rechtlicher Anforderungen erfüllen und harte Fakten liefern.

Martin Prieler

Vorstand, Altstoff Recycling Austria

Leichtfertige Öko-Versprechen

Das hebt die Kreislaufwirtschaftskommunikation auf eine neue Stufe. Bislang gingen Öko-Versprechen als Verkaufsargument – meist ohne faktische Belege – leicht von den Lippen. So ermittelte eine Studie der Europäischen Kommission im Jahr 2020, dass 53% der untersuchten Umweltangaben bei Produkten und Dienstleistungen in der EU vage bis irreführend und sogar 40% schlichtweg substanzlos waren. Das dürfte auch für den Rest der Welt zutreffen.

So wurde etwa der Textilriese H&M 2022 in den USA verklagt – seine als ökologisch beworbene Conscious Choice Kollektion basierte auf völlig falschen Angaben bezüglich des Einsatzes recycelter Materialien und des Wasserverbrauchs.

Ein anderes Beispiel, diesmal mit Österreich-Bezug: Austrian Airlines gerieten 2023 mit ihrer Bewerbung „CO2-neutraler“ (via Einkauf nachhaltigen Kerosins aus Altspeiseöl) Flüge nach Venedig ins Visier der heimischen Konsumentenschützer:innen – und musste die gerichtlich attestierte „irreführende Werbung“ einstellen. 100 % Sustainable Aviation Fuel, wie angegeben, sei technisch gar nicht möglich, urteilten die Expert:innen.

Formulierungen wie „umweltfreundlich“, „biologisch abbaubar“ oder „ökologisch“ ohne Nachweise werden nun mit der Green Claims Directive verboten. Zudem müssen Öko-Label oder Nachhaltigkeitssiegel auf Zertifizierungssystemen basieren, und Emissionsausgleichsysteme sind keine Grundlage mehr für positive Aussagen zu Umweltauswirkungen eines Produkts. „Wer künftig mit Begriffen wie ,grün‘, ,nachhaltig‘ oder ,klimafreundlich‘ werben will, muss also eine Reihe rechtlicher Anforderungen erfüllen und harte Fakten liefern“, betont ARA Vorstand Martin Prieler.

Verschweigen statt veröffentlichen

Klar ist: Greenwashing schadet der Marke und der Reputation. Daher ziehen es immer mehr Firmen vor, zum Thema „Nachhaltigkeit“ gar nichts mehr zu sagen. Eine Studie von South Pole (einem global agierenden Unternehmen, das sich Klimaschutzprojekten widmet) unter 1.200 Großkonzernen aus dem Herbst 2022 zeigt: Immer mehr Unternehmen streben das Ziel „Net Zero“ („Netto-Null-Emissionen“) an und haben dafür einen wissenschaftlich fundierten Reduktionsplan entwickelt.

Aber: Viele davon (in Deutschland sind es rund ein Drittel) wollen dazu nichts veröffentlichen – aus Angst, die Ziele nicht zu erreichen und sich dem Vorwurf des Greenwashing auszusetzen. Greenhushing (d. h. das Verschweigen von Nachhaltigkeitsinitiativen) nennt sich diese Tendenz. Problematisch ist das aus mehreren Gründen.
Erstens führt es dazu, dass sich die gefassten Klimaschutzmaßnahmen nicht öffentlich nachverfolgen lassen und ein transparenter Branchenvergleich ausbleibt.
Zweitens beschränkt Greenhushing den Wissenstransfer zwischen Unternehmen und somit eine Mobilisierung für mehr Klimaschutz.
Und drittens braucht es – neben Konsument:innen, die in immer stärkerem Ausmaß Produkte aus ressourcenschonender Herstellung mit hohem Rezyklat Einsatz fordern – auch Unternehmen, die als Role Models für eine zirkuläre Ökonomie fungieren.

Vor wenigen Monaten etwa wandten sich 54 große Unternehmen – darunter ThyssenKrupp, Puma, Otto oder Miele – in einem gemeinsamen Appell an die deutsche Politik, um den klimagerechten Umbau der Wirtschaft in einem Zusammenspiel aus staatlichen Maßnahmen und privaten Investitionen umzubauen.

Ein interessantes Beispiel zum Thema Nachhaltigkeitskommunikation bietet die dänische Spielzeug-Kultmarke Lego. Seit vielen Jahren veröffentlicht man dort Ziele und Erfolge ebenso wie Rückschläge. Der groß angekündigte Umstieg von Bausteinen aus Primärkunststoff auf Rezyklat aus alten PET-Flaschen etwa erwies sich als Flop – die Alternative verursachte über die gesamte Lebensdauer mehr CO2-Emission als das ursprüngliche Material. Das Unternehmen informierte offen darüber und sucht weiter nach Alternativen. Bis 2032 wollen die Verantwortlichen die Produktion auf erneuerbare bzw. recycelte Materialien umgestellt haben und 2025 doppelt so viel dafür investieren wie 2023.

Diese transparente Kommunikation stellt deshalb ein Positivbeispiel dar, weil sie den Konzern nicht besser macht als er ist – und damit Vertrauen erzeugt. Einfach und faktenbasiert, ohne Superlative, Buzzwords oder moralische Überlegenheit, ihre Stakeholder verbindend – so funktioniert Nachhaltigkeitskommunikation.

Das wird auch immer mehr zum Wettbewerbsfaktor: So hat etwa die Österreich-Werbung vor wenigen Monaten einen eigenen „Green Claims Leitfaden im Tourismus“ veröffentlicht, um Betriebe und Regionen bei der Veröffentlichung ihrer Nachhaltigkeits-Leistungen zu unterstützen.

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Um den Übergang zu einer zirkulären Ökonomie zu schaffen, benötigen wir viele Unternehmen, welche die Umstellung auf Kreislaufwirtschaft offen forcieren und kommunizieren. Sie sind Vorbilder und Motivierende für andere. Und wir treten gerne mit ihnen gemeinsam vor den Vorhang. Gutes für die Umwelt tun und darüber reden ist wichtig.

Harald Hauke

Vorstandssprecher, Altstoff Recycling Austria

Role Models für die Kreislaufwirtschaft

„Seit Beginn unseres Bestehens engagieren wir uns für und mit Österreichs Unternehmen für Bewusstseinsbildung und Kommunikation zum Thema Nachhaltigkeit. In Österreich lernt man bereits im Kindergarten umweltfreundliches Verhalten mit den ARA Umweltbildungsprogrammen. Das bereitet den Boden für einen sorgsamen Umgang mit Ressourcen und für nachhaltigen Konsum im Erwachsenenalter. Um den Übergang zu einer zirkulären Ökonomie zu schaffen, benötigen wir viele Unternehmen, welche die Umstellung auf Kreislaufwirtschaft offen forcieren und kommunizieren“, betont ARA Vorstandssprecher Harald Hauke.

„Sie sind Vorbilder und Motivierende für andere. Und wir treten gerne mit ihnen gemeinsam vor den Vorhang. Gutes für die Umwelt tun und darüber reden ist wichtig.“ Im Sinne kontinuierlicher Bewusstseinsbildung agiert die ARA seit vielen Jahren mit intensiver Öffentlichkeitsarbeit zur korrekten Mülltrennung und Kreislaufwirtschaft. Seit vier Jahren etwa vereint die Awareness-Kampagne „Rohstoffe im Kreislauf halten“ rund 50 prominente Wirtschaftspartner:innen, darunter IKEA, Salzburg Milch, Ölz, Mars, Maresi oder Felix.

Durch die Ausspielung der individuell adaptierten Sujets auf den Kanälen der teilnehmenden Marken und Unternehmen konnten in den ersten drei Quartalen 2023 über 20,2 Millionen organische Kontakte erzielt werden. Dazu kommen noch hunderttausende Impressionen, die durch Bewerbungsaktivitäten seitens der Kampagnenteilnehmenden erreicht werden konnten. Insgesamt wurden damit rund 1,3 Millionen Euro an Werbewert im B2B und B2C Segment generiert. Und auch bei der gemeinsam mit der Saubermacher AG entwickelten App Digi-Cycle, die genaue Infos zur Mülltrennung gibt und mehr als 50.000 öffentliche Sammelstellen dafür anzeigt, kooperiert die ARA mit Branchengrößen wie Danone oder Coca-Cola – mit stetig steigenden Nutzungszahlen.

„Wir bei der ARA setzen gemeinsam mit unseren Kund:- innen auf Commitment, Change und Image – das heißt Verantwortung zeigen, Konsumverhalten positiv beeinflussen und positiv nach außen wirken. So wird die Kommunikation von Kreislaufwirtschaft zur Win-Win-Win-Situation: Konsument:innen sind besser informiert und motiviert, Unternehmen stärken ihre Reputation und Attraktivität – und die Umwelt profitiert“, zeigen sich die ARA Vorstände überzeugt.