Kreislaufwirtschaft kommuniziert zu rational
Bekanntlich werden Kaufentscheidungen nicht nur rational gefällt, sie haben einen starken emotionalen und nicht voll bewussten Anteil. Genau dieser wird durch die Codes, die Marken nutzen, beeinflusst. Diese Codes sind verbal, aber sehr oft auch visuell. Wie kann das auf die Nachhaltigkeit übertragen werden?
ARA Vorstand Harald Hauke hat sich mit Motivforscherin Helene Karmasin über Verpackungen unterhalten. Karmasin kommt aus der Psychologie, Kulturwissenschaft und Semiotik und erforscht seit vielen Jahren das Kaufverhalten von Menschen und die Codes, die Marken nutzen. Im Gespräch geht es unter anderem darum, wie nachhaltige Verpackungen aussehen können, um sowohl ästhetische als auch ökologische Anforderungen zu erfüllen.
Warum verhalten sich Menschen auf bestimmte Weise in Bezug auf Kaufentscheidungen und Konsum?
HELENE KARMASIN: Menschen treffen emotionale und nicht nur rein rationale Entscheidungen. Wenn Entscheidungen nur rational wären, könnten viele Märkte geschlossen werden. Die Motive hinter den Entscheidungen sind individuell , aber sehr oft auch durch die Gesellschaft vorgegeben. Besonders bei der Markenkultur zeigt sich, welche Werte in einer Gesellschaft gelebt werden. Als Markt- und Motivforscherin untersuche ich diese nichtbewussten Aspekte und erforsche, was hinter Kaufentscheidungen steckt. Das Interessante daran ist der kulturelle Tiefenstrom. In meiner Arbeit stelle ich mir oft die Frage, welche kulturellen Werte hinter Entscheidungen stehen. Aktuell erfährt Nachhaltigkeit, Umwelt- und Klimaschutz einen Aufschwung. Für die Kreislaufwirtschaft ist das eine Chance, da Entscheidungen eben auch diese Aspekte einbeziehen- allerdings sind das aber nicht die einzigen Werte.
Welche Rolle spielt Kommunikation im Zusammenhang mit der Kreislaufwirtschaft?
HELENE KARMASIN: Kommunikation spielt eine entscheidende Rolle, weil es darum geht, wie man etwas vermittelt – sei es durch Worte oder visuelle Zeichen. Vieles, was am Markt fasziniert, basiert auf raffinierten visuellen Codes. Menschen kaufen nicht einfach Produkte, sie kaufen die Beschreibungen von Produkten. Der funktionale Nutzen eines Produkts bleibt gleich, aber durch die verbalen und visuellen Codes ändern sich die Versprechen. Die Codes haben sich im Laufe der Zeit verändert, aber die grundlegenden Mechanismen bleiben gleich. Dieses Prinzip gilt auch in den Bereichen Nachhaltigkeit, Kreislaufwirtschaft und Umweltschutz – leider wird hier aber immer noch zu rational kommuniziert.
Welche Rolle spielen visuelle Codes im Vergleich zu verbalen Codes bei der Markenkommunikation?
HELENE KARMASIN: Marken müssen kommunizieren, dass sie verantwortungsbewusst agieren, und visuelle Codes spielen dabei eine große Rolle. Jedoch denken Unternehmen oft nur über verbale Codes nach, aber visuelle Codes sind eigentlich viel raffinierter. Sie umgehen rationale Barrieren.
HARALD HAUKE: Für Unternehmen geht es in erster Linie darum, das Produkt zu verkaufen und nicht die Verpackung. Grundsätzlich versuchen wir den Menschen, der Wirtschaft aber auch der Politik mitzugeben, dass in Abfall wertvolle Schätze stecken. In jeder Verpackung verbirgt sich ein kostbarer Rohstoff, der wieder recycelt und in den Kreislauf zurückgeführt werden kann.
HELENE KARMASIN: Genau dazu kann die visuelle Darstellung helfen, diese positive Sichtweise auf Verpackungen zu kommunizieren und das Image von Packungen zu stärken.
Was können Marken tun?
HELENE KARMASIN: Marken sollten klar machen, dass sie Verantwortung übernehmen. Die Menschen haben eine Sehnsucht nach Marken, die Lösungen bieten. Wenn eine Marke überzeugend kommuniziert, dass sie Verantwortung übernimmt, schafft das Vertrauen, und das beeinflusst wiederum Kaufentscheidungen.
HARALD HAUKE: Daher haben wir auch eine Kampagne gestartet, um das Bewusstsein zu schärfen. Mit „Rohstoffe im Kreislauf halten“ versuchen wir, Menschen zu motivieren, ihre Verpackungen korrekt zu entsorgen und wollen gleichzeitig darauf aufmerksam machen, dass in jeder Verpackung wertvolle Rohstoffe stecken. Früher war es einfacher, sich einen grünen Anstrich zu verpassen, das ist heute nicht mehr der Fall. Mit unserer groß angelegten Kampagne beweisen Unternehmen, dass sie sich wirklich für eine bessere Zukunft einsetzen.
Wo könnte man noch ansetzen?
HARALD HAUKE: Verpackungen sind ein gutes Beispiel. Viele Menschen sehen sie als Abfall, der vermieden werden sollte. Dabei bevorzugen Konsument:innen nachhaltige Verpackungen, gleichzeitig sind diese schwer zu erkennen. Entweder sind Verpackungen zu unscheinbar oder sie verpassen die Chance, sich zu differenzieren. Wenn etwas umweltverträglich ist, ist das oft eine Gratwanderung. Früher war Recyclingpapier braun gefärbt, jetzt darf es auch weiß sein.
Menschen haben eine Sehnsucht nach Marken, die Lösungen bieten. Wenn eine Marke überzeugend kommuniziert, dass sie Verantwortung übernimmt, schafft das Vertrauen.
Helene Karmasin
Wie kann man Menschen dazu bringen, Abfall korrekt zu trennen?
HELENE KARMASIN: In erster Linie ist es eine Frage der Infrastruktur, damit Verpackungen korrekt getrennt werden können.
HARALD HAUKE: Genau unser Ziel ist es, die Abfalltrennung so einfach wie möglich zu machen. Dafür stellt die ARA über 2 Millionen Sammelbehälter zur Verfügung, und mehr als 2 Millionen Haushalte sind an die bequeme Sammlung mit dem Gelben Sack angeschlossen. Gleichzeitig beginnen wir schon sehr früh mit der Umweltbildung, damit Kinder und Jugendliche schon von Beginn an Abfalltrennung zu ihrer gelernten Praxis machen. Insgesamt haben wir in Österreich bereits sehr hohe Recyclingquoten, und neun von zehn Österreicher:innen trennen ihren Abfall – aber wir wollen natürlich immer besser werden.
Wie sieht die optimale Verpackung der Zukunft aus?
HARALD HAUKE: Grundsätzlich ist zu sagen, dass Verpackungen oft verteufelt werden. Dabei machen diese nur rund 1 bis 2% des ökologischen Fußabdrucks eines Produkts aus. Beispielweise im Lebensmittelmarkt sind Verpackungen dazu da, um wertvolle Lebensmittel vor dem Verderben zu schützen – sonst wären der Energieaufwand, Wasserverbrauch etc. umsonst gewesen.
HELENE KARMASIN: Die Herausforderung wird künftig darin liegen, Markenartikel-Hersteller zu überzeugen, dass nachhaltige Verpackungen schön und faszinierend sein können, nicht nur asketisch reduziert. Das Ziel sollte immer bleiben, dass Marken als verantwortungsbewusste Mitglieder der Gesellschaft wahrgenommen werden, aber dass sie auch starke Marktteilnehmer sind.