01.06.2023

Know-how über die Grenzen hinaus

Welche Schritte wir heute setzen, ist bestimmend für die Zukunft. Welche das für die Kreislaufwirtschaft sind und welche Rolle Futurologie spielt, besprachen Zukunftsforscherin Christiane Varga und die beiden ARA-Vorstände Harald Hauke und Martin Prieler bei einem Round Table.

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V.l.n.r.: Martin Prieler, Christiane Varga, Harald Hauke; © Daniel Willinger

Was sind die Aufgaben einer Zukunftsforscherin, Frau Varga?

„Zukunftsforscher:innen beobachten schon in der Gegenwart Signale der Veränderung und können dann Rückschlüsse auf eine mögliche Zukunft geben. Bereiche wie gesellschaftlicher Wandel, demografische Entwicklung aber auch weichere Faktoren wie das Mindset, also die Einstellung, geben in Kombination eine Richtung vor. So ist Nachhaltigkeit vom Randthema zum Mainstream geworden und die Wirtschaft orientiert sich daran. Auch die Kreislaufwirtschaft ist ein schönes Beispiel für Entwicklungen, die zunächst in einer Nische auftreten und dann in die breite Öffentlichkeit treten.“

Könnte dadurch die die Kreislaufwirtschaft zum neuen Wirtschaftsfaktor werden, Herr Prieler?

„Die Ansätze waren zwar immer schon da, aber Zirkularität wurde aufgrund der steigenden Einwohner:innen auf unserem Planeten immer stärker zur Ressourcenfrage. Wenn wir mit der linearen Nutzung nicht mehr weiterkommen, dann ist das der falsche Weg. Der Earth Over-shoot Day, also der Tag an dem der menschliche Rohstoffverbrauch der Bewohner:innen nicht mehr gedeckt wird, zeigt diese fatale Entwicklung besonders auf, er rückt seit Jahren näher. Kreislaufwirtschaft ist eine alternativlose Tatsache, der wir uns stellen müssen. Der Earth Overshoot Day war in Österreich bereits am 6. April, in Deutschland fällt er auf den 4. Mai.“

Wie wird die Kreislaufwirtschaft die Art und Weise beeinflussen, wie wir Ressourcen nutzen, Herr Hauke?

„Wachstum und Ressourcenverbrauch müssen entkoppelt werden. Schon in den 1960er Jahren hat Österreich mehr Ressourcen verbraucht als vorhanden waren. Das ist die falsche Rechnung.“

Varga ergänzt: „Positive Zukunftsveränderungen werden aber nicht über Verbote oder den erhobenen Zeigefinger realisiert, sondern die Lösung ist, viel mehr in den Dialog zu treten, nur so können mehr Menschen mitgenommen werden.“

Wie soll das funktionieren, Herr Prieler?

„Klimaschutz kann nur realisiert werden, wenn jeder Teil der Gesellschaft im Boot sitzt. Aktuell sieht man das leider an den Enden der Gruppierungen zwischen Menschen, die sich aktivistisch gegen die Klimakrise einsetzen und Menschen, die Maßnahmen verweigern. Die Idee muss sein, möglichst viele mitzunehmen. Zuerst Bewusstsein und dann den Nutzen schaffen. Als ARA wollen wir Partizipation ermöglichen. Wir brauchen alle und das ist neben der Wirtschaft vor allem die breite Bevölkerung.“

Aber wird es neue Technologien benötigen, Herr Hauke?

„Wir haben bereits die Technologie, um zirkulär zu handeln. Nur mit dem Mindset aller können diese auch effektiv eingesetzt werden: Sortieranlagen, die mit künstlicher Intelligenz ausgestattet sind, Cradle-to-Cradle-Ansätze oder die Kaskadennutzung von Rohstoffen – es gibt weltweit unterschiedlichste Ansätze, um ökologisch, ökonomisch und auf sozial nachhaltige Weise zu wirtschaften.“

Und wie kann die Kreislaufwirtschaft vorangetrieben werden?

„Regulatorien sind zwar wesentliche Treiber, aber gleichzeitig bremsen sie auch. Westliche Gesellschaften und Märkte werden mit viel zu vielen Regelwerken überhäuft, während es diese in einem Großteil der Welt nicht gibt. Bevor wir also unsere Recyclingziele und Quoten bei uns im Land weiter erhöhen, müssen wir unsere Standards und Know-how exportieren. Es braucht eine Nivellierung der Ungleichheiten zwischen nördlicher und südlicher Hemisphäre. Dann wäre uns ressourcentechnisch mehr geholfen.“

„Kreislaufwirtschaft muss zur Haltung werden, und nicht zu einem Tool, das wir anwenden“, meint Trendforscherin Varga.

„Mit Verpackungen werden wir das Klima allein nicht retten können. Aber es ist ein gutes Role Model, um zu zeigen, was möglich ist. In allen Branchen, egal ob Bau, Handel, Textilindustrie liegen enorme Potenziale zirkulärer zu handeln, diese gilt es auszuloten“, so Harald Hauke.

Welche Faktoren müssen wir dabei weiter ins Auge fassen?

Hauke: „Der Fokus auf Verpackungen ist ein erster Schritt aber das Bild muss weitergezeichnet werden. Dafür erweitern wir auch unseren eigenen Wertstoffkreislauf und gehen mit unseren Leistungen weit über die Entpflichtung und Lizenzierung hinaus.“

Prieler: „Auch die globalen Abfallströme sind für die zukünftige Entwicklung wesentlich. Es entsteht ein Bild riesiger Abfallberge, doch die Verursacher sind winzig klein. Vor allem Mikroplastik verschmutzt die weltweiten Meere, Natur und Landschaften. Eine traurige Bilanz, die zum Handeln aufruft. Mit einem geringen Initialaufwand erzielt man hier bereits große Effekte. Wir müssen gemeinsam an diesen großen Schrauben drehen und nicht nur in Europa an den kleinen Gewinden drehen. Globales Bewusstsein und Handlungsallianzen sind der einzige Weg, etwa beim Textilrecycling arbeiten wir mit Kooperationspartnern zusammen um uns dieser technologischen Herausforderung anzunehmen

Varga: „Für eine zirkuläre Lebensweise braucht es Allianzen und Kooperationen, die die Gesellschaft weg vom Silo-Denken hin zu einem branchenübergreifenden Agieren motivieren.“

Wer kann diese Veränderungen herbeiführen?

Hauke: „Vor allem Unternehmen können hier ein wesentlicher Treiber positiver Veränderung sein. Die Wirtschaft ist einer dieser Innovationsmotoren, die noch eine Kehrtwendung erzielen können.“

Prieler: „Für mich ist es unvorstellbar, dass sich nur ein Teil der Gesellschaft hin zu einer Kreislaufwirtschaft entwickeln könnte. Entweder wir schaffen es gemeinsam oder wir schaffen es niemals. Ein Ausbleiben von Kreislaufwirtschaft zu wirtschaftlicher Migration, einer hohen Arbeitslosenrate, sozialer Ungleichheit und wirtschaftlicher sowie politischer Instabilität führen.“